Frankfurter Allgemeine Zeitung
Von Axel Zibulski, aktualisiert am 13.08.2023-20:10
Die Kunst des Übergangs: Das Bochabela String Orchestra kombiniert Mozarts Requiem mit traditioneller südfrikanischer Trauermusik.
Kein Werk der Wiener Klassik ist so stark mit Tod und Endlichkeit verbunden wie Mozarts Requiem. Reichlich romantische Verklärung und so manche Phantasien ranken sich um die Totenmesse, die Mozart nicht mehr vollendet hat. Als ob er sie, was in keiner Weise belegt ist, irgendwie auch in eigener Sache geschrieben habe. Dass im Requiem, das bis heute häufig in der Vervollständigung durch seinen Schüler Franz Xaver Süßmayr erklingt, viel Licht und Trost zu hören sind, gerät dabei gelegentlich in Vergessenheit. Nicht allerdings für die Besucher des Rheingau Musik Festivals, die sich in der Basilika von Kloster Eberbach auf eine ungewöhnliche Kombination des Werks mit südafrikanischen Kirchenhymnen einließen, in denen ein ganz anderer Umgang mit Verlust und Trauer zum Ausdruck kam.
Der aus Vorarlberg stammende Landesjugendchor Voices und die jungen Musiker des südafrikanischen Bochabela String Orchestra, verstärkt um Bläser und Schlagwerk („and Friends“), stellten ihre Kopplung der so unterschiedlichen, in ihrer Intensität sich aber reizvoll ergänzenden Trauermusiken vor. In Südafrika können sich Trauerfeiern über mehrere Tage erstrecken und begleiten den Toten und die Überlebenden nicht nur mit lamentierender, sondern auch mit lebensbejahender, sogar fröhlicher Musik in der Übergangsphase. So wird der Tod zum präsenten Teil des Lebens, wie es natürlich auch für Mozart und seine Zeitgenossen gewesen sein muss – ein Gedanke, der bei der mutigen musikalischen Zusammenstellung bald aufkam.
Mit viel Tempo und klanglichen Schärfungen
Acht Hymnen rahmten und ergänzten die Abschnitte des Requiems, in Sprachen wie IsiXhosa und Sesotho, die heute, ebenso wie das von den Weißen mitgebrachte Englisch und Afrikaans, zu den zwölf Amtssprachen Südafrikas gehören. Wie die Orchestermusiker die Hymnen mitsangen, tanzten und rhythmisierten, faszinierte als ganzheitlicher musikalischer Ansatz, um den sich der Landesjugendchor Voices mit europäisch geraden Links-rechts-Bewegungen bemühte.
Ihrerseits auf Mozart ließen sich die jungen Musiker des Bochabela String Orchestra ein. In dem Ensemble, das nach dem Ende der staatlichen Apartheid vom Kontrabassisten Peter Guy gegründet wurde und heute vom Bratscher Klaus Christa künstlerisch geleitet wird, haben zahlreiche in den Townships aufgewachsene Jugendliche Raum und Bestätigung für ihre musikalischen Leistungen gefunden.
Unter der Leitung des kurzfristig eingesprungenen Dirigenten Benjamin Lack gestalteten sie und Voices das Requiem mit viel Tempo und klanglichen Schärfungen, die den Kontrast zu den gelöst ausschwingenden, in ihrer ganzen Schönheit für sich einnehmenden Hymnen noch einmal größer werden ließen. Einige Instrumentalisten übernahmen in den Kirchenliedern eindrucksvolle Soli, ebenso der südafrikanische Tenor Katleho Mokhoabane, der im Solistenquartett neben Shira Patchornik (Sopran), Fleuranne Brockway (Mezzosopran) und dem Bariton Kabelo Lebyana den stärksten Eindruck hinterließ.