Interview mit Zuko Samela
Der Bau einer Bratsche gehört ohne Zweifel zu den komplexesten und herausforderndsten handwerklichen Tätigkeiten, die wir kennen; er erfordert mindestens 150 Arbeitsstunden, in denen über 500 verschiedene Arbeitsschritte auszuführen zu sind.
Als wir erfuhren, dass unser Stipendiat Zuko Samela vom Bochabela String Orchestra neben dem Bratschenspiel, der Jazzmusik und dem Komponieren noch einen anderen großen Traum hegte, nämlich Geigenbauer zu werden, unterstützten wir ihn sofort in seinem Vorhaben und ein Stipendium der Hilti Foundation ermöglichte ihm den Aufenthalt bei einem der besten Geigenbauer Amerikas. Inzwischen hat er sein erstes Instrument – eine Viola, auf der er im kommenden Jahr seine Abschlussprüfung spielen wird – fertiggestellt, lediglich der Lack fehlt noch.
Die Stunde der Wahrheit im Geigenbau ist der Moment, in dem der Erbauer das unlackierte Instrument nach unzähligen Arbeitsstunden zum ersten Mal spielbereit macht. Die Spannung ist groß: Wie wird das Instrument klingen? Ist die klangliche Absicht hörbar? Geht die Saat auf? Wir haben nach diesem besonderen Schritt ein Gespräch mit Zuko über den Weg dahin geführt.
Wann hast Du zum ersten Mal Deine Leidenschaft für den Geigenbau entdeckt?
Ich habe sie entdeckt, als ich anfing, Bögen für das Mangaung String Programme (Anm.: Das Streichinstrumenten-Programm, in dem Zuko Samela groß geworden ist) zu behaaren. In der Werkstatt, in der ich arbeitete, fand ich ein Buch über den Geigenbau und in meinem Kopf stellte ich mir vor, selbst eine Geige zu bauen. Von Kind an habe ich immer versucht, jede handwerkliche Arbeit zu übernehmen: von der Reparatur von Elektrogeräten und Möbeln bis hin zum Erlernen des Keyboardspiels. Das Reparieren von Instrumenten und das Behaaren von Bögen nährte also meine Leidenschaft für den Geigenbau. Die meiste Zeit wusste ich nicht wirklich, was ich da tat, aber am Ende ging alles gut aus, wie ich feststellte. Die Begeisterung für den Geigenbau wuchs ständig und ich sah mir bei jeder Gelegenheit Geigenbau-Videos auf Youtube an.
Wie hängt Dein Traum vom Instrumentenbau mit der Tatsache zusammen, dass Du selber Bratsche spielst?
Instrumente zu bauen und die Bratsche spielen zu können, passt für mich sehr gut zusammen. Beim Spielen kann ich erforschen, wie das Instrument klingt und wie es klingen sollte, wenn ich dann selber eines baue. Beides geht Hand in Hand, denn man kann nicht etwas bauen, ohne zu wissen, wie es sein bzw. klingen soll.
Du hast vier Wochen mit dem amerikanischen Geigenbauer Bill Scott gelebt und gearbeitet. Wie würdest Du diese Zeit beschreiben?
Ich hatte die besten Erfahrungen in Amerika. Das Erste war ein sehr herzlicher Empfang von Bill und seiner Familie, der mir half, mich wohl bzw. wie zu Hause zu fühlen. Als wir mit dem Bau eines Instruments begannen, versuchte Bill, mir so viele Informationen wie möglich zu geben, denn vier Wochen waren nicht genug, um ein Handwerk zu erlernen, dessen Studium 4 Jahre dauert. Wir besuchten auch verschiedene Geigenbauwerkstätten und ich wurde einigen der besten Geigenbauer Amerikas vorgestellt. Eines der besten Erlebnisse war, als ich für eine Woche bei Freunden von Bills Familie in New Orleans sein durfte. New Orleans ist ja bekannt für seine Jazz-Musik. Der Spaziergang durch die Bourbon Street zu den French Quarters war erfüllt von wirklich guter Jazzmusik, die in jeder Bar und auch auf den Straßen gespielt wurde. Wir machten eine Tour durch die Stadt und ich erfuhr viel über ihre Geschichte und wie das Leben jetzt nach der Hurrikan-Katastrophe ist. Während meines Aufenthaltes in New Orleans wurde ich von Ute Zahn, der Präsidentin und Mitbegründerin einer Non-Profit-Organisation namens "Luthiers Without Borders - Luthiers Sans Frontieres“ und Mitch, einem Geigenbauer aus dem Quinn Violins Shop, angeleitet. Ich erhielt auch Werkzeuge aus Utes Stiftung, was mir meinen Start sehr erleichterte. Zurück in Minneapolis nahm ich an einem Abendessen mit verschiedenen Geigen- und Bogenbauern teil, wo ich dem Gedankenaustausch zum Thema zuzuhören durfte. Die Erfahrungen in Amerika waren mit viel Lernen und Spaß zur gleichen Zeit verbunden. Ich bin sehr dankbar, dass ich die Möglichkeit bekommen habe, dort zu sein.
Was war nach der Zeit in Amerika Dein Leitfaden beim Weiterbauen Deiner Bratsche?
Ich habe meine Anleitung durch das Lesen von 2 Büchern bekommen (Violin Making; Historical and Practical Guide von Edward Heron- Allen und ein Buch von Juliet Baker). Viele YouTube-Tutorials habe ich mir angeschaut und der Austausch mit Bill Scott war natürlich auch sehr wichtig. Ansonsten habe ich mich auf meine Intuition verlassen. So habe ich schlussendlich geschafft, die Bratsche fertigzustellen.
Wie haben die „Lockdowns" Deinen Bratschenbau beeinflusst?
Die Lockdowns haben meinen Bratschenbau sehr beeinflusst, weil ich während der ganzen Zeit kaum abgelenkt war. Ich hatte genug Zeit zu lesen, Videos anzuschauen und in meinem eigenen Tempo zu arbeiten.
Was waren Deine größten Herausforderungen beim Bau Deiner Bratsche?
Die Tatsache, dass es mein erstes Instrument ist und ich noch wenig Erfahrungen und auch keine richtige Werkstatt habe, waren meine größten Herausforderungen.
Was waren die nervenaufreibendsten Momente beim Bau Deiner Bratsche?
Als ich anfing, an der Wölbung der Bratsche zu arbeiten, war das beängstigend, denn ein kleiner Fehler kann das ganze Holz ruinieren. Ein anderer schwieriger Arbeitsschritt war das Schneiden der F-Löcher und das Einsetzen des Bassbalkens. Sie sind sehr wichtig, denn die F-Löcher sollten perfekt sein. Sie sind wesentlich für das Aussehen des Instruments und der Bassbalken sollte richtig platziert werden, denn er ist das Herzstück des Instruments. Als ich die Abstimmung der Decke und des Bodens durch beklopfen prüfte, stellte ich fest, dass sie nicht auf dem Ton „C“ klangen, wie es im Geigenbau- Buch steht, sondern es war auf meinem Instrument der Ton „B“. Das war ein großer Schreck für mich, aber Gottseidank hat das keinen Einfluss auf die Klangqualität des Instruments. Auch das Zusammenleimen des Instruments war wirklich beängstigend!
Was war das Wichtigste in der Zeit seit August 2019, das Dir geholfen hat, nicht aufzugeben?
Der Entschluss, dass ich nach meinem Bratschenstudium Geigenbau studieren möchte. Die Möglichkeit, im Sommer 2019 Amerika zu gehen war sehr ermutigend für mich. Dass mein Traum dadurch früher als gedacht in Erfüllung gehen würde, war sehr ermutigend und dass ich neue Dinge lernen und neue Erfahrungen machen durfte und auch die Tatsache, dass ich bei dem besten Geigenbauer lernen konnte!
Wie unterscheidet sich das Bauen im Spielen der Bratsche?
Es ist für mich kein großer Unterschied zwischen Spielen und Bauen. Bauen bedeutet für mich, etwas Schönes zu erschaffen und wenn ich spiele, ist es dasselbe.
Was hast Du vom Bratschenbau für Dein Leben gelernt?
Geduldig und ausdauernd zu sein.
Die wichtigste Lebenslektion, die ich gelernt habe, ist, an mich zu glauben und auf meine Intuition und meine Instinkte zu vertrauen. Und niemals aufzuhören, hart zu arbeiten.
Wie sehen Du Deine Zukunft? Bratschist, Jazzer, Komponist oder Bratschenbauer?
Nun, ich sehe mich in all diesen Bereichen. Alle sind zeitaufwendig und erfordern eine Menge Arbeit. Aber für mich würde das mehr Abwechslung in mein Leben bringen und ich glaube, dass ich allen Bereichen erfolgreich sein kann.
Jetzt fehlt nur noch der Lack. Kannst Du die letzten Schritte beschreiben, bis das Instrument endgültig fertig ist?
Zuerst muss ich das Instrument mit einem Tuch mit warmem Wasser abwaschen, um die Maserung des Holzes hervorzuheben, bevor ich die letzten Korrekturen und den Feinschliffe vornehme. Dann kann ich mit dem Auftragen des Lacks beginnen, und wenn der Lack trocken ist, mache ich ein ordentliches Setup an der Bratsche und sie ist bereit, gespielt zu werden.
Wir danken für das Gespräch.