Konzert N°6  |  Pförtnerhaus Feldkirch


Schuberts Schweigen

Wie die Zeit den Atem anhält

 

Pforte um 7  |  Die öffentliche Generalprobe: Do 13. November, 19 Uhr

Pforte um 8  |  Konzert & Buffet: Fr 14. November, 20 Uhr

 

Impuls um halb  |  Do 18.30 Uhr & Fr 19.30 im Erdgeschoss des Pförtnerhauses

Die norwegische Geigerin und Dirigentin Berit Cardas spricht mit Klaus Christa über die Beziehung zwischen Kammermusik und Theater und den Zauber dieser Liaison.

 

 

Programm


Ein Konzerttheater in Kooperation mit dem Schubert Theater Wien

 

Ludwig van Beethoven (1770–1827)
Streichquartett in B-Dur op. 133, «Große Fuge»

 

Franz Schubert (1797–1828)

Streichquartett in G-Dur Nr. 15, D 887

 

 

Ausführende


Epos Quartett:

Berit Cardas Violine & Impuls um halb

Verena Sommer Violine
Klaus Christa Viola

François Poly Violoncell0

 

Angelo Konzett Puppenspiel
Simon Meusburger Buch & Regie
Klaus Christa Buch & Idee

 


Ein Ding der Unmöglichkeit

 

Wenn ich durch Zeit und Raum reisen könnte, würde ich mir ohne Zögern als Ziel den Saal des Wiener Musikvereins am 21. März 1826 aussuchen. Dabei würde ich mich auf einen ganz besonderen Zuhörer konzentrieren, der an diesem Abend bei der Uraufführung von Ludwig van Beethovens Streichquartett in B-Dur op. 130 mit dem ursprünglichen Schlusssatz, der großen Fuge op. 133, anwesend war: Franz Schubert. Wenn ich mir die Perspektive aussuchen könnte, würde ich Schuberts Gesicht beobachten, während er diesem neuen Quartett jenes Komponisten lauscht, den er abgöttisch verehrt.

 

Ludwig van Beethoven war das große Idol Schuberts und während ihn seine Schüchternheit zeitlebens daran hinderte, mit Beethoven in einen freundschaftlichen Austausch zu treten, ging wenigstens sein Wunsch, neben Beethoven begraben zu werden, in Erfüllung: Er wurde 1828 neben dessen Grab auf dem Währinger Ortsfriedhof beigesetzt.

 

Zurück zum 21. März 1826: Dass sich Schuberts Leben an diesem Tag für immer veränderte, wissen wir deswegen so genau, weil er, der seit seinem 13. Lebensjahr ununterbrochen komponierte und so bereits ein sehr umfangreiches Werk geschaffen hatte, an diesem 21. März für über drei Monate verstummte.

 

Ein langes Schweigen war Schuberts Antwort auf dieses denkwürdige Konzert. Beethovens Quartett hatte ihm die Feder aus der Hand geschlagen. Nach diesen Monaten der Stille komponiert er in der völlig unrealistischen Zeit von zehn Tagen das Streichquartett in G-Dur. Welcher Satz von Beethovens Streichquartett Schubert damals am tiefsten getroffen hat, lässt sich erahnen: Es war der peitschende Rhythmus der großen Fuge, jenes 18 Minuten lange verrückte Musikstück, das auch heute noch Konzertbesucher*innen zu verstören vermag. Dieser Rhythmus zieht sich wie ein dramatischer Nachklang durch den gesamten ersten Satz von Schuberts G-Dur Quartett.

 

Ich stelle mir vor, dass Franz Schubert nach dem Verklingen des letzten Tones der Fuge sprachlos auf seinem Stuhl sitzen blieb. Ich stelle mir auch vor, wie die anderen Konzertbesucher*innen alle aufstanden und sich gegenseitig in Gespräche verwickelten, Schubert aber weiter erschüttert dasaß, vielleicht fassungslos den Kopf schüttelte, vielleicht mit seinem Blick seinen Freund Moritz von Schwind suchte, um das Ungeheuerliche in Blicken mit ihm zu teilen.

Oder vielleicht ging Schuberts Blick auch in der Ferne verloren und Schwind schüttelte ihn nach einer gewissen Zeit, besorgt über den Zustand seines Freundes. Schuberts Leben hat sich an diesem Märztag des Jahres 1826 radikal verändert. Von dem Moment an, an dem er wieder komponieren konnte – es war der 24. Juni 1826 – war er nicht mehr der, der er vorher war. Diese Wochen der Stille waren ein Sammeln von Kräften, das in einem fast übermenschlichen Kreativitätsausbruch gipfelte, nämlich der Niederschrift des Werkes in einer Zeit, die einem Kopisten nicht reichen würde, die Noten abzuschreiben, selbst wenn er Tag und Nacht arbeiten würde. Und Schubert hatte ja nicht nur kopiert, sondern komponiert. Er hat dabei zu einer Kühnheit gefunden, die in ihrer kompromisslosen Wahrhaftigkeit die Nähe zu Beethovens Großer Fuge verrät. Das nahezu unversöhnliche Nebeneinander von Moll und Dur in diesem Werk erinnert uns an eine Zeile in Schuberts "Der Traum" aus dem Jahr 1822: "Wollte ich Liebe singen, ward sie mir zum Schmerz. Und wollte ich wieder Schmerz nur singen, ward er mir zur Liebe. So zerteilte mich die Liebe und der Schmerz."

In unserer dritten Zusammenarbeit mit dem Wiener Schubert-Theater – ein Figurentheater für Erwachsene – folgen wir den Spuren Schuberts und gehen dem Geheimnis seines Spätwerkes auf den Grund.