Konzert N°4 | Pförtnerhaus Feldkirch
Es ward die Flamm uns in die Hände gegeben
Wie Leidenschaft erwacht
Pforte um 7 | Die öffentliche Generalprobe: Do 5. Juni, 19 Uhr
Pforte um 8 | Konzert & Buffet: Fr 6. Juni, 20 Uhr
Impuls um halb | Do 18.30 Uhr & Fr 19.30 im Erdgeschoss des Pförtnerhauses
Christine Vogt, künstlerische Leiterin des Theaterensembles Papillons bringt berührende Theaterinszenierungen mit überwiegend demenzerkrankten Bewohner*innen aus einem Pflegeheim, Kindern und Künstler*innen auf die Bühne. Sie spricht darüber, was es in ihrer Arbeit bedeutet, sich der Schönheit des Augenblicks zu widmen.
Programm
César Franck (1822-1890)
Quintett f-Moll für Klavier, zwei Violinen, Viola und Violoncello
1. Molto moderato quasi lento – Allegro
2. Lento, con molto sentimento
3. Allegro non troppo ma con fuoco
Mélanie Bonis (1858-1937)
Klavierquartett N°2, D-Dur op. 124
1. Moderato
2. Allegretto
3. Lent
4. Final. Allegro
Ausführende
Ensemble Louise Farrenc:
SongHa Choi Violine
Raul Campos Violine
Klaus Christa Viola
Mathias Johansen Violoncello
Katya Apekisheva Klavier
Christine Vogt Impuls um halb
Türöffner & Wegbegleiter
Das Schicksal von Mélanie Bonis war schon sehr früh mit dem César Francks verwoben. Mélanie stammte aus einer kleinbürgerlichen katholischen Familie in Paris, die keinerlei kulturelle Ambitionen hegte. Einzig der Aufforderungscharakter eines Klaviers, das in der elterlichen Wohnung stand, brachte die junge Mélanie dazu, autodidaktisch in die Welt der Musik einzutauchen. Wir wissen, dass sie mit ihrem Klavierspiel als sogenannte «Tapeuse» (Klavierspielerin bei verschiedenen Anlässen) bereits in jungen Jahren Kindergeburtstage musikalisch umrahmte. Ein Freund der Familie, der selbst Musiker war, bedrängte die Eltern, das auffällige Talent ihrer Tochter zu fördern.
So kam sie zu ihrem ersten Klavierunterricht. Später hat sie kein Geringerer als der berühmte César Franck ans berühmte Pariser Conservatoire gebracht. Da er dort allerdings nur die Orgelklasse betreute und nicht in den Kompositionsunterricht eingebunden war, konnte Mélanie zu ihrem Bedauern nicht von ihrem so geschätzten Meister betreut werden. In ihren Texten nannte sie ihn mehrmals bewundernd in einem Atemzug mit Bach und Beethoven.
Mir scheint, dass die Musik an jenem Tag in der Zeit erschien, als die Menschheit spürte, dass ihr die Worte fehlten, um das Unaussprechliche auszudrücken. Wenn es kein Jenseits gäbe, wäre
nicht klar, zu welchem Zweck diese göttliche Sprache
den armen Menschen gegeben worden wäre, wenn nicht, um sie mit für immer unbegreiflichen Schönheiten zu täuschen. [...] Der Beweis, dass die Kunst wahrhaft göttlich ist, ist, dass die
schönsten Werke aller Gattungen von religiösen Ideen inspiriert wurden. Ich glaube nicht, dass dies bestreitbar ist. Ich möchte hinzufügen, dass die größten Künstler, die Genies, deren die
Menschheit sich rühmt, einem Ideal der Tugend treu waren: Michelangelo, Beethoven, Bach, Franck.
Auch wenn sich die beiden nur wenige Male getroffen haben, um ein Gespräch zu sein: César Franck erkannte, in welcher Tiefe Mélanies Liebe zur Musik wurzelte
und war damit ein wichtiger Türöffner zu diesem Beruf.
Ausschnitt aus dem Roman über Mélanie Bonis von Klaus Christa, der im Laufe des Jahres 2025 erscheinen wird
[...] «Sie fragen nach Madeleine? Nach ihrer Schwangerschaft?» Wegener begann mit vier Fingern seiner
linken Hand wellenförmig auf den Tisch zu trommeln. Von links nach rechts. Allein aus dieser nervösen Geste hätte man schließen können, dass er ein Streichinstrument spielte. Die linke Hand war
die Griffhand der Streicher und der Gitarristen. Immer nur vier Finger, der Daumen trommelte nie aufs Griffbrett. Beim Spielen saß der meistens den greifenden Fingern gegenüber und sah ihnen bei
der Arbeit zu.
Wegener nahm einen tiefen Atemzug. «Ich habe mich jahrelang gefragt, warum mich die Geschichte Mélanies so angefasst hat. Ihre Musik fand ich herrlich, gewiss. Aber das war nicht Grund genug, wieder und wieder nach Frankreich zu reisen, um die Fragmente ihrer Geschichte zusammenzuklauben. Mittlerweile ahne ich, was mich so an ihre Geschichte gebunden hat. Da war dieses ungeheure Geheimnis. Ein Geheimnis, das ein Mann gut behüten kann. Wenn eine Frau das versucht, ist das einfach ungeheuerlich. Ein Abgrund.» Mein Puls beschleunigte sich. Ich ahnte, worauf es hinauslief. «Sie verheimlichte ihre Schwangerschaft vor ihrer Familie?», fragte ich ungläubig, dabei war ich mir sicher, dass sie genau das getan haben musste. An meiner Gänsehaut merkte ich, wie sehr mich diese Geschichte berührte.
«Können Sie sich vorstellen, wie man eine Schwangerschaft vor einer achtköpfigen Familie verbergen kann? Wie eine werdende Mutter ihre Schwangerschaft verbergen kann? Das wird spätestens ab dem vierten Monat ein unmögliches Unterfangen. Sie fragen sich vielleicht, wie Mélanie das zustande brachte?»
Wegener fasste gedankenverloren sein Glas und nahm einen großen Schluck. Das Bier musste mittlerweile Zimmertemperatur erlangt haben und ich war dankbar, dass ich nur zusehen musste, wie die laue Flüssigkeit in Wegener versank. «Sie müssen verschwinden, sobald die Schwangerschaft sichtbar wird. Also spätestens im vierten Monat müssen sie für fünf Monate unter- tauchen.» Wegener brach ab, starrte auf die «Souvenirs et réflexions» und schwieg wieder.
Das Kind irgendwo heimlich zur Welt bringen. Dann wieder in die Familie zurückzukehren. Mich schauderte.
«Sie müssen sich vorstellen, da waren ihre drei Kinder zu versorgen, Pierre, Jeanne und Edouard. Vier oder fünf Monate verschwinden. Das war mehr als ein ganzer Sommer. Sie ist im April oder im
Mai 1899 aufgebrochen. Die Familie Domange hatte genügend Bedienstete, das Organisatorische an dieser Wahnsinnstat war bestimmt kein Problem. Die Betreuung der Kinder war sichergestellt, als
Mélanie sich auf den Weg machte. Aber reden wir über die seelische Seite dieses Unternehmens. Sie musste diese kleinen, unschuldigen Wesen zurücklassen. Mélanie hatte also ihre Koffer fertig
gepackt, ihr umfangreiches Gepäck steht im Flur des großen Hauses in der Rue de Monceau. Nun verabschiedet sie sich von ihren Stiefkindern und ihren leiblichen Kindern. Alle ein letztes Mal
umarmt, in dem Wissen, dass sie sie viele Monate nicht mehr sehen würde. Ihr Ältester, Pierre, ist immerhin fünfzehn, die Tochter Jeanne ist elf, ihr Kleinster, der sechsjährige Edouard schaut
sie mit seinen großen Augen an. Zu ihm hatte sie eine besonders zärtliche Beziehung. Sie betrachtet ihre Kinder. In ihr dieses brennende Wissen um ihr Geheimnis: ein Halbgeschwister, das sie in
ihrem Schoß trägt. Ein Kind, von dem die Geschwister nie etwas erfahren dürfen. Eine Sünde, ein Fehltritt im Schoß.» [...]