Konzert N°4
Tanzen und Trauern
In Resonanz mit Schubert
Pforte um 7 | Die öffentliche Generalprobe
Do 12. Mai, 19 Uhr, Pförtnerhaus Feldkirch
Pforte um 8 | Konzert & Buffet
Fr 13. Mai, 20 Uhr, Pförtnerhaus Feldkirch
Pforte im Frauenmuseum | Ausstellung & Konzert
Sa 14. Mai, 17 Uhr, Frauenmuseum Hittisau
Impuls um halb | Erdgeschoss Pförtnerhaus
Der Cellist und Arrangeur François Poly taucht mit uns beim Impuls um halb in das kurze aber intensive Leben von Franz Schubert ein. Eine Anmeldung dazu ist nicht erforderlich.
Programm
Franz Schubert (1797–1828)
Deutsche Tänze D783 & Streichquartett G-Dur D887
Musikalische Antworten auf die Deutschen Tänze von
Raphaela Fröwis (*1993)
Darius Grimmel (*1996)
Baran Mohammadbeigi (*1999)
& Zuko Samela (*1995)
Metanoia Quartett
Raul Campos Calzada Violine
Ahmad Shikh SlemanVioline
Imgesu Tekerler Viola
Jonas Streit Violoncello
InterNuevo Quartett
Kristi Pleshti Violine
Leopold Schwinghammer Violine
Zuko Samela Viola
Baran Mohammadbeigi Violoncello
Epos:Quartett
Christina Brabetz Violine
Verena Sommer Violine
Klaus Christa Viola
François Poly Violoncello
Alles hat seine Zeit
Was ist Volksmusik und wo beginnt die Kunstmusik? Musikalische Kategorien betrachten wir bei der Pforte immer mit einer gewissen Skepsis und Franz Schubert ist für uns jener Komponist, der diese Kategorien radikal auf ihre Sinnhaftigkeit hin überprüft. Wo siedeln wir beispielsweise die Ländlerkette D783 an? Es sind schlichte, zu Herzen gehende Tänze, die klingen, als würden sie im Augenblick ersonnen.
Radikaler Szenenwechsel. Wir tauchen ein in Schuberts Streichquartett G-Dur D887. Das Cellothema des 2. Satzes kommt gemessenen Schrittes daher und nichts unterscheidet diese Melodie von einem Volkslied. Ein zu Herzen gehender Gesang, der uns in seiner Schlicht- heit ergreift. Das Thema ist zu Ende gespielt und dann kommt etwas ins Spiel, das über die Volksmusik hinaus- geht. Während bei den Deutschen Tänzen die Reise mit dem Ende der Melodie endet, öffnet sich hier nochmals eine Welt: Das Marschthema entfaltet sich zu einer nicht enden wollenden Melodie, die nach einer geheim- nisvollen Überleitung in einen Verzweiflungsausbruch führt, der mitunter sogar verstören kann. Die Instru- mente schreien geradezu herzzerreißend, dann bewegen sich die verzweifelten Klänge in harmonisch immer entferntere Regionen, bevor sie wieder in die Schlichtheit zurückführen.
«Kennen Sie lustige Musik?»
Je länger wir dieser Musik lauschen, desto klarer wird der Unterschied zwischen Volksmusik und Kunstmusik. Im langsamen Satz des G-Dur Quartetts geht eine Melodie auf eine lange, abenteuerliche
Reise, durchlebt große Stürme und milde Sonnentage, am Schluss kehrt sie verwandelt wieder heim. An dieser Stelle kommt die Frage ins Spiel: Was ist besser? Ein Spaziergang ums Haus? Oder eine
große Reise? Kommt ganz darauf an, wieviel Ressourcen uns zur Verfügung stehen. Manchmal finden wir nur die Zeit, einen Häuserblock zu umrunden. Zu einem anderen Zeitpunkt planen wir eine große
Reise, bei der wir wahre Abenteuer zu bestehen haben, bevor wir wieder nachhause kommen. Alles hat seine Zeit.
So soll Schubert einmal gefragt haben, und ohne eine Antwort abzuwarten, diese selber mit «ich nicht!» beantwortet haben. Mit dem großen G-Dur Quartett, dem zentralen Werk des Abends, lernen wir
eine Facette von ihm ganz besonders gut kennen: Schubert als Tröster oder vielleicht besser gesagt als Trauerarbeiter.
Das Streichquartett beginnt mit einem Pianissimoklang, der sich aus dem Nichts formt, sich steigert, um in einen wilden Schrei zu münden. Und dann führt uns die Musik durch allerlei Zustände: vom
bangen Flüstern bis zu lauten, verzweifelten Rufen, vom wehmütigen Zurückblicken bis zum wilden Aufbäumen ist alles dabei, was eine Seele in dunklen Stunden erlebt. Aber es wäre nicht Schubert,
wenn da nicht plötzlich ein ergreifender Trost auftauchte: Ein Seitenthema im Gewand einer Ländlermelodie ist seine Antwort. Meisterhaft führt Schubert nach all der Aufgewühltheit in eine
Schlichtheit, in eine tänzerische Leichtigkeit, die wohltuender nicht sein könnte. Es kann durchaus sein, dass der eine oder andere Zuhörende das Bedürfnis nach tänzerischen Bewegungen verspürt.
Obwohl die Melodie eine gewisse Melancholie verbreitet, will etwas in uns tanzen. Man muss das Leben tanzen, soll Friedrich Nietzsche gesagt haben. Dieser Satz könnte ihm genau an dieser Stelle
zugeflossen sein. Das Leben tanzen heißt: alles zu tanzen, die Verzweiflung ebenso wie die Freude, den Schmerz genauso wie das Glück.
Klaus Christa