Konzert N°3: Frühlingswind und Vogelklänge

Von der Sehnsucht nach dem Fliegen

 

Pforte um 8

Fr 18. Juni, 19 Uhr  | Kapelle des Landeskonservatoriums Feldkirch, 2. Stock

 

 

 

Programm:

 

Werke von 

Anonymus (13. Jhdt)

Tarquinio Merula (1595–1665)

Alessandro Poglietti (17. Jhdt.)

Markus Schönewolf (*1977)

Eustache du Caurroy (1549–1609)

Hans Leo Haßler (1564–1612)

Johann Sebastian Bach (1685–1750) 

& Antonio Vivaldi (1678–1741)

 

 

Boreas Quartett Bremen  |  Blockflötenconsort

Jin-Ju Baek

Luise Manske

Julia Fritz

Elisabeth Champollion

 

 

 

«Die Natur muss gefühlt werden.»

Alexander von Humboldt (1769–1859)

 

In seinem berühmten Tagebuch von 1670 schrieb Samuel Pepys über das Blockflötenconsort:

 

Der Klang ist so süß, dass er mich betörte, und tatsächlich umfing er meine Seele, dass ich davon geradezu krank wurde, so, wie ich es früher war, als ich mich in meine Frau verliebte. Die bewegenden Eigenschaften des Blockflötenklangs sollen auch am heutigen Abend hör- und fühlbar werden, ganz im Sinne von Alexander von Humboldts Worten: Die Natur muss gefühlt werden.

 

Rund um die Luft mit ihren Frühlingswinden, Wolken- formen, Vogelklängen und Naturmelodien ist das Programm des Boreas Quartett Bremen gestrickt. Der älteste überlieferte Kanon Sumer is icumen in läutet zu Beginn den Sommer ein und bittet den Kuckuck um lauten Gesang. Seit jeher inspirieren die Natur und der Gesang der Vögel Künstler zu kreativem Schaffen, jedoch wurde wohl kaum ein Lied so oft vertont wie jenes der Nachtigall. Ob als L'usignolo in Italien oder als Le rossignol in Frankreich – sie stand Pate für unzählige musikalische Werke und wurde zum Sinnbild für Liebe und Melancholie.

 

Auch in den Concerti Antonio Vivaldis spiegeln sich häufig Naturszenen wider. Die berühmten Sonette zu den Vier Jahreszeiten sollen unser Ohr inspirieren und machen Vivaldis Musik in idyllisch-pastoralem Kontext erlebbar. Diese Bildhaftigkeit und Lebensfreude italie- nischer Konzerte finden im barocken Europa großen Anklang und so halten Vivaldis Werke bald Einzug in Weimar, wo Johann Sebastian Bach als Hoforganist tätig ist. Bachs zahlreiche Orgel-Transkriptionen der Vivaldischen Concerti geben den Anreiz, diese Musik auf unserer lebendigen Blockflötenorgel nachzuempfinden.

 

Die Musik der Renaissance und des Barock steht dem aufregenden Zyklus Schwebungen von Markus Schönewolf gegenüber. Schwebungen, ein mehrsätziges Werk welches den Flug der Kraniche nachzeichnet, zieht alle Register des Blockflötenklangs – mal schwebend hauchend, sehnsuchtsvoll, dann in schnellem Tanz dahinreitend, sturzbachartig in den schnellen Läufen, immer poetisch und erzählend.

 

Julia Fritz

 

 

«Schwebungen»

 

Schwebungen ist ein Werk über das Fliegen, das Schweben und zieht alle klanglichen Register des Quartettspiels: sehnsuchtsvoll, hauchend, mit Kranichen ziehend, in wilden Tänzen dahinreitend, gurrend, balzend, Flügel schlagend, herabstürzend in virtuosen Kaskaden.

 

Akkordische Wolkenballungen, wie Watte-Drücken, darüber Kondensstreifen freier melodischer Linien. Doch auch Abschnitte strenger Polyphonie; horizontale und vertikale Kräfte formen eine Doppelpassacaglia, eine Seelenreise, einen Traum, oder fliehen einander in einer Doppelfuge frühlingshafter Winde und erzählen so – mehr poetisch inspiriert als programmatisch gedacht – eine Geschichte vom Fliegen, Reisen, sich Verlieren und Finden.

 

Markus Schönewolf

 

 


 

 

Die Liebenden

 

Seht jene Kraniche in großem Bogen!

Die Wolken, welche ihnen beigegeben

Zogen mit ihnen schon als sie entflogen

Aus einem Leben in ein anderes Leben.

In gleicher Höhe und mit gleicher Eile

Scheinen sie alle beide nur daneben.

Dass so der Kranich mit der Wolke teile

Den schönen Himmel, den sie kurz befliegen

Dass also keines länger hier verweile

Und keines anderes sehe als das Wiegen

Des andern in dem Wind, den beide spüren

Die jetzt im Fluge beieinander liegen:

So mag der Wind sie in das Nichts entführen.

Wenn sie nur nicht vergehen und sich bleiben

So lange kann sie beide nichts berühren

So lange kann man sie von jedem Ort vertreiben

Wo Regen drohen oder Schüsse schallen.

So unter Sonn und Monds verschiedenen Scheiben

Fliegen sie hin, einander ganz verfallen.

Wohin ihr? – Nirgend hin. Von wem davon? – Von allen.

Ihr fragt, wie lange sind sie schon beisammen?

Seit kurzem. – Und wann werden sie sich trennen? – Bald.

So scheint die Liebe Liebenden ein Halt.

 

Bertolt Brecht (1898–1956)