Konzert N°1

Das Kind – es schwebt! 

Von der Freiheit der Musik 

 

 

Pforte um 7  |  Die öffentliche Generalprobe

Do 8. April, 17:30 Uhr, Pförtnerhaus Feldkirch

 

Pforte um 8  |  Konzert & Buffet

Fr 9. April, 17:30 Uhr, Pförtnerhaus Feldkirch

 

Zusatzaufführung:

Sa 10. April, 10:30 Uhr, Pförtnerhaus Feldkirch


 

Programm

 

Franz Schubert (1797 – 1828)

Quartettsatz D703, c-Moll

 

Valerie Capers (*1935)

aus «Portraits in Jazz» für Streichquartett und Klarinette bearbeitet von François Poly

 

Robert Schumann (1810–1856)

Soirée Stücke op. 73 für Streichquartett und Klarinette bearbeitet von François Poly

 

Wolfgang Amadeus Mozart (1756–1791)

Quintett für Klarinette, zwei Violinen, Viola und Violoncello A-Dur, KV 581 «Stadler-Quintett»

 

 

Epos:Quartett

Christine Busch Violine 

Verena Sommer Violine

Klaus Christa Viola

François Poly Violoncello

 

& Matthias Schorn Klarinette

 

 

 

 

«Frei ist die Tonkunst geboren und 

frei zu werden ihre Bestimmung.»

Ferruccio Busoni (1866–1924)

 

Der deutsch-italienische Pianist und Komponist Ferruccio Busoni hatte in seinem Entwurf einer Ästhetik der Tonkunst die bezwingende Idee, die Musik als das richtungsweisende Symbol der Freiheit zu identifizieren. Wenn wir uns vergegenwärtigen, 

wie geheimnisvoll das Phänomen der tönenden Luft ist – schwingende Mundstücke oder Saiten werden durch Resonanzkörper 

aus Holz oder Metall verstärkt – dann erschüttert uns, befreit uns, verwandelt uns, was unser Ohr erreicht und uns tief in der Seele berührt. Wenn wir versuchen, dieses Phänomen gedanklich zu erfassen, dann müssen wir Begriffe wie Wunder oder Geheimnis zu Hilfe nehmen.


Für Busoni beginnt die Geschichte der abendländischen Tonkunst erst mit der Verschriftlichung der Mehrstimmig- keit im 15. Jahrhundert und sie ist damit die Jüngste unter den Künsten. So jung es ist, dieses Kind, eine strahlende Eigenschaft ist an ihm schon erkennbar, die es vor allen seinen älteren Gefährten auszeichnet. Und diese wundersame Eigenschaft wollen die Gesetzgeber nicht sehen, weil ihre Gesetze sonst über den Haufen geworfen würden. Das Kind – es schwebt! Es berührt nicht die Erde mit seinen Füßen. Es ist nicht der Schwere unterworfen. Es ist fast unkörperlich. Seine Materie ist durchsichtig. Es ist tönende Luft. Es ist fast die Natur selbst. Es ist frei.


In der Zeit des Lockdowns im Frühling 2020 war genau diese nahezu mysteriöse Eigenschaft der Musik ihre rettende Qualität. Von Balkonen herab überwand sie die Sicherheitsdistanzen, aus Wohnzimmern konnte sie durch Handynetze und Computernetze in die Bild- schirme der Nutzer schlüpfen, um dort in einer Zeit, die oft von Sorge und Alleinsein geprägt war, das Gefühl von schwebender Hoffnung und Gemeinschaft zu wecken.

 

Busoni geht in seinen Ausführungen so weit, dass er der menschlichen Begabung zur Freiheit misstraut: Freiheit ist aber etwas, das die Menschen nie völlig begriffen noch gänzlich empfunden haben. Sie können sie nicht erkennen noch anerkennen. Sie verleugnen die Bestimmung dieses Kindes und fesseln es. Das schwebende Wesen muß geziemend gehen, muss, wie jeder andere, den Regeln des Anstandes sich fügen; kaum, daß es hüpfen darf – indessen es seine Lust wäre, der Linie des Regenbogens zu folgen und mit den Wolken Sonnenstrahlen zu brechen.


Was wäre, wenn Busoni mit seiner Behauptung recht hätte, dass wir Menschen die Freiheit nie völlig begriffen noch gänzlich empfunden hätten? Wie wäre es, wenn wir das Wunder der Musik bräuchten, um die Freiheit er- kennen und anerkennen zu können? Wir finden Busonis Idee so mitreißend und alternativlos, dass wir mit Ihnen aufbrechen wollen, um mit Hilfe der Musik der Linie des Regenbogens zu folgen und mit den Wolken Sonnenstrahlen zu brechen.

 

Klaus Christa

 

 

 


 

 

April

 

Die Welt riecht süß

nach Gestern.

Düfte sind dauerhaft.

 

Du öffnest das Fenster.

Alle Frühlinge

kommen herein mit diesem.

 

Frühling der mehr ist

als grüne Blätter.

Ein Kuss birgt alle Küsse.

 

Immer dieser glänzend glatte

Himmel über der Stadt,

in den die Straßen fließen.

 

Du weißt, der Winter

und der Schmerz

sind nichts, was umbringt.

 

Die Luft riecht heute süß

nach Gestern –

das süß nach Heute roch.

 

Hilde Domin (1909–2006)