Kritik zum Konzert des Bochabela String Orchestras & Friends mit dem Chor Vocale Neuburg unter der Leitung von Gerald Wirth "Long Walk To Freedom" im Wiesbadener Kurier am 8. Juli 2019 von Dietrich Stern

 

KLOSTER EBERBACH - Wie Chor und Orchester mit getragen vierstimmigem Gesang von hinten durch die ehrwürdige romanische Basilika zum Konzert einziehen, das ist unvergesslich und berührend. „Was haben wir getan? Unsere Sünde ist, schwarz zu sein. Lass Afrika zurückkehren.“ Erst dann beginnt das aufgewühlt turbulente „Kyrie“ der „Messe in Bedrängnis“

d-moll von Joseph Haydn. Sie trägt den Beinamen „Nelson-Messe“, und diesmal ist sie Nelson Mandela zum 100. Geburtstag gewidmet, nicht dem englischen Admiral. Das Motto „Courage“ des diesjährigen Rheingau Musik Festivals gewinnt hier seine richtige Bedeutung.

 

Courage bewies der Amerikaner Peter Guy, als er an der Grundschule der Township Bochabela in Bloemfontein ein Streicherprojekt für Kinder ins Leben rief. Daraus wurde eine ganze Bewegung in Südafrika, und das Bochabela Streichorchester kann sich nun gekonnt und professionell der schweren Musik Haydns widmen. Durch die Gegenüberstellung mit den Freiheitsgesängen der Anti-Apartheid-Bewegung bekommt die klassische Musik eine neue Tiefe, Dringlichkeit und einen sozialen Bezug.

 

Die Idee hatte der österreichische Bratschist Klaus Christa, der seit zehn Jahren das Bochabela String Orchestra leitet. Aus Vorarlberg gewann er den Chor „Vocale Neuburg“ und aus Wien den Dirigenten Gerald Wirth, der die Nelson-Messe schwungvoll inspirierend leitet.

 

Apartheid, das schreckliche Machtmittel weißer Herrschaft, ist in diesem Konzert auf schönste Weise aufgehoben. Wenn das Orchester aufsteht und mit dem Chor zusammen die Hymne „Gott, schütze dein Land Afrika“ singt, dann erhebt sich das Publikum in der Eberbacher Basilika und erweist den jungen schwarzen Musikern tiefen Respekt.

 

Bei den Solisten findet man zwei Südafrikaner. Die Sopranistin Palesa Malieloa glänzt mit einer fast flirrenden, hell leuchtenden Stimme. Der Bass Kabelo Lebyana füllt den Raum mit kräftig kernigen Tönen. Lea Elisabeth Koch (Alt) und Nik Kevin Müller (Tenor) ergänzen gleichwertig die europäische Hälfte der Solisten. Solostimmen aus dem Orchester erklingen zusätzlich stark und klar, mit unmittelbarer Daseinsfreude. Der traditionelle südafrikanische a-capella-Gesang mit wenigen, sehr einfachen Grundakkorden schickt eine Botschaft von unglaublicher Präsenz. Diese Harmonien kennt der österreichische Chor aus dem Alpenland und geht wunderbar mit.

 

Nachdem Haydns quicklebendiges, fast freches „Dona nobis pacem“ verklungen ist, ergreift das Orchester die Initiative und groovt los. Spielend und tanzend versetzt es die volle Basilika in immer mehr Schwingung und Begeisterung. Jede „Apartheid“ zwischen klassischer und populärer Musik verschwindet in purer, aus Leid und Unterdrückung gewonnener Lebensfreude.